GIS in der Archäologie
Geographische Informationssysteme (GIS) dienen der Aufnahme, Verwaltung, Darstellung und Auswertung raumbezogener (Sach- und Geometrie-) Daten. In der Regel beschreibt der Terminus GIS die Gesamtheit eines GIS-Projektes, d.h. ein Gesamtsystem, das alle für die digitale, raumbezogene Arbeit erforderlichen Werkzeuge (Hardware, Software) und Daten (archäologische Basisdaten, geographisch - naturräumliche Daten) umfasst. Seltener beschränkt sich der Terminus GIS lediglich auf die Software mit der Aufnahme, Verwaltung, Darstellung und Auswertung raumbezogener Daten.
Den Datenbestand eines GIS könnte im Kern bereits eine digitale Liste mit Keramikfunden einer Ausgrabung bilden, unverzichtbar sind dabei Informationen zur Lage der Funde. Daraus lassen sich mit Hilfe von GIS-Software Karten erstellen, die verschiedene Informationen zu den Keramikfunden wiedergeben (Verbreitung der Verzierungsmotive, Typen, Menge der Scherben usw.). Viele Nutzer beschränken sich beim Gebrauch eines GIS auf die computergestützte Kartographie. Der entscheidende Vorteil eines GIS besteht aber in den darüber hinausgehenden vielfältigen Möglichkeiten der Datenanalyse. Derartige Analysen setzen in der Regel Berechnungen zum Raumbezug voraus, wie die Abstände zwischen den Funden, die Größe der ausgegrabenen Flächen oder der entsprechenden Ausgrabungsbefunde. Solche Daten lassen sich mit geringem Aufwand mit Hilfe eines GIS automatisch erheben und in Bezug zueinander setzen. Damit eröffnen sich neue Wege, die Verteilungen des Fundmaterials mit statistischen Methoden zu vergleichen, häufig werden hier Funddichteberechnungen durchgeführt, wie die Verteilung von Scherbenanzahl oder -gewicht.
Maßstabsebenen
Die Aufnahme, Verwaltung, Darstellung und Analyse raumbezogener Daten mit einem GIS ist auf verschiedenen Maßstabsebenen archäologischer Arbeit sinnvoll. In diesem kurzen Ratgeber wird vor allem der Einsatz innerhalb einer Ausgrabung thematisiert. GIS-Anwendungen sind jedoch auch für die Auswertung größerer Landschaftsausschnitte attraktiv. Der Fundplatz, den man ausgräbt, ist eingebettet in eine Umgebung, die archäologisch teils durch frühere Arbeiten bekannt ist, teils durch eigene Oberflächenbegehungen weiter untersucht wird. Dies ist das Niveau von „Siedlungskammer“ oder „Schlüsselgebiet“. Die naturräumlich - geographischen Daten stehen auf diesem Niveau meist im Maßstab 1:25.000 oder 1:50.000 zur Verfügung. Die Größe solcher Mikro-Regionen beträgt typischerweise zwischen wenigen 10km2 und wenigen 100km2. Auf dieser Maßstabsebene ist es möglich, alle Nachbarplätze inklusive Fundstoff selbst zu überschauen und man kann Vollständigkeit anstreben.
Auf der nächst höheren Maßstabsebene, der der Regionalstudien, bewegt man sich in einer Größenordnung von wenigen 1.000km2. Wenn man die archäologischen Daten einer solchen Region selbst erfassen will, muss mit einem Arbeitsaufwand in der Größenordnung eines Dissertationsprojektes gerechnet werden. Bei Maßstäben ab 1:500.000 und einigen 10.000km2 oder gar größer muss man sich auf die Richtigkeit von Angaben aus der Literatur verlassen und es ist unmöglich, die Vollständigkeit des archäologischen Datensatzes zu gewährleisten.
Trotzdem ist auch die Betrachtung dieser Maßstabsebenen notwendig, denn Fragen zu kulturellen Diffusionsprozessen, zu Migrationen, zu Tausch und Handel, zur Mensch-Umwelt-Beziehung und auch zur Lage des selbst ausgegrabenen Fundplatzes in Bezug zu kulturellen Zentren sowie peripheren Regionen usw. sind nicht in Maßstabsebenen zu beantworten, die nur die Darstellung von wenigen 100km2 erlauben. GIS-Anwendungen erlauben theoretisch einen gleitenden Übergang von einer Skalenebene zur anderen. Die archäologischen Konsequenzen der eben beschriebenen, scheinbar trivialen Zusammenhänge steht in der Archäologie erst ganz am Anfang. Lösungen sind nur vom Einsatz derjenigen Rechenverfahren zu erwarten, die GIS-Programme mit anbieten und für die sich Archäologen bisher nur am Rande interessiert haben. Da man sich nicht darauf verlassen kann, dass auf einer Karte, die ein Gebiet von mehreren 10.000km2 Größe darstellt, alle archäologischen Fundpunkte vorhanden sind, muss man an dieser Stelle eben von der Punkt- zur Schraffurdarstellung übergehen. Allerdings sollte der schraffierte Bereich, in dem die meisten Fundpunkte liegen, nach nachvollziehbaren Kriterien bestimmt sein. Es liegen bereits Vorschläge vor, welche Methoden man zu diesem Zweck verwenden sollte.
Aber natürlich gewinnt auch der Einsatz von GIS auf Ausgrabungen eine zunehmende Bedeutung. Umso mehr, da mit höherer Komplexität der erhobenen Daten (Funde, Architekturbefunde, naturwissenschaftliche Daten) die Schwierigkeit wächst, diese Informationseinheiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen und die vielfältigen Beziehungen zwischen ihnen auswerten zu können.
Datenmodell eines GIS
Man unterscheidet allgemein zwischen Sach- und Geometriedaten. Um beim Beispiel der Liste der Keramikfunde zu bleiben, handelt es sich bei diesen Informationen um Sachdaten. Aus Geometriedaten besteht der ins GIS eingebundene digitalisierte Grabungsplan. Er könnte beliebig viele geometrische Objekte enthalten, wie die Flächen von Häusern oder Pfostenlöcher.
Den Kern des GIS bilden die Sachdaten, die in unterschiedlich komplexen Datenbanken organisiert werden. Diese Sachdaten sind in Abhängigkeit von der archäologischen Fragestellung zu strukturieren. Unverzichtbar sind Informationen zur Lage der Funde. Das sind zumeist x,y-Koordinaten und Tiefenangaben, häufig aber auch Angaben des entsprechenden Quadranten mit der horizontalen Auflösung von 1x1m bei Nennung des jeweiligen Planums.
Geometriedaten stehen in zwei verschiedenen Klassen zur Verfügung. Man unterscheidet zwischen Vektor- und Rasterdaten. Vektordaten ermöglichen eine exakte Abbildung räumlicher Objekte, z. B. der Grenze einer Hausgrube oder einen Flusslauf. Jedes Objekt besteht dabei aus einer variablen Menge von Koordinatenpaaren, die gewissermaßen Knotenpunkte in diesem System darstellen. Die Knotenpunkte können zu beliebigen Strukturen kombiniert werden. Auf diese Weise lassen sich Punkte, Linienzüge oder Flächen abbilden. Die Kombination der Knotenpunkte zu Flächen oder zu Linien ergibt sich aus Zusatzinformationen. Ein Pfostenloch kann in einem Grabungsplan als Objekt dargestellt werden, das aus fünf oder mehr Knotenpunkten besteht. Die Zusatzinformationen beschreiben die Zusammengehörigkeit der Knotenpunkte und die Eigenschaft des Objektes als Fläche. Die Geometriedaten werden im GIS dann mit Sachdaten verknüpft. Für das Objekt Pfostenloch könnten dies Daten zur Höhe bzw. Tiefe der Unterkante des Pfostenloches sein oder Informationen zu dem hier vorgefundenen Keramikmaterial.
Rasterdaten bestehen aus nur einem geometrischen Grundelement - der Rasterzelle. Die in der Regel quadratischen Rasterzellen werden in Zeilen und Spalten angeordnet. Die Zellgröße bestimmt die Auflösung der so entstehenden Karte. Jeder Zelle wird dann ein Attributwert zugewiesen. Das häufigste Anwendungsbeispiel für eine Rasterdatei ist ein Digitales Geländemodell (DGM), in der jede Zelle die Information des Höhenwertes enthält. Am bekanntesten dürfte das weltweit kostenlos zur Verfügung stehende SRTM-Höhenmodell (Shuttle Radar Topography Mission ) aus dem Jahr 2000 mit einer Rastergröße von ca. 90x90m sein. In einer Rasterdatei lässt sich auch die Verteilung der Scherbenanzahl oder des Scherbengewichts in einer Grabungsfläche mit Rasterzellen von 1x1m Quadraten veranschaulichen.
In einem GIS-Projekt lassen sich je nach Fragestellung Raster- und Vektordaten integrieren. Für die Umwandlung von Rasterdaten in Vektordaten oder umgekehrt stehen dabei in den meisten GIS Standardwerkzeuge zur Verfügung. Dabei gilt es zu bedenken, dass Rasterdateien in der Regel größer sind als Vektordateien vergleichbarer Auflösung, sie bieten aber beim Verschneiden mit Hilfe von Basisrechenverfahren einige Vorteile.